BUNTE,
Januar 2010
Er verließ sie, um zu sterben
Hans Hass jr. beging Selbstmord. Hier
erzählt die Witwe, wie sie ihn fand ...
Als sie im Fernsehen erlebte, wie Teresa Enke (33), die Witwe von
Nationaltorwart Robert Enke, über den Selbstmord redete, "ging mir das durch
Mark und Bein",
erzählt Stefanie M. (Name geändert, 41), BUNTE. "Mir tut diese arme Frau so
unendlich leid. Ich kann genau nachempfinden, wie sie sich jetzt fühlt."
Auch Stefanie M. hat ihren Lebensgefährten, den Schauspieler und Musiker
Hans Hass jr. (63), vor sechs Monaten durch Selbstmord verloren. Ebenso wie
Robert Enke litt auch der Sohn des österreichischen Tauchpioniers und
Meeresforschers Hans Hass (90), unter Depressionen. Beiden Männern gelang es
anscheinend perfekt, ihr Umfeld über ihren wahren Gesundheitszustand zu
täuschen.
"Wir lebten acht Jahre eine Ehe ohne Trauschein. Ich habe ihn geliebt. Sicher
auch wegen seiner unbeschwerten, heiteren Art, die positiv auf mich Workaholic
abfärbte", erzählt Stefanie M. - Pause. "Diese Heiterkeit war im
Endeffekt wohl nur gespielt, wie wir erfahren mussten. Heute weiß ich, dass Hans
mit seinem Leben nicht mehr klarkam. Leider hat er sich weder mir noch seinen
Freunden jemals anvertraut."
Es habe zwar seit Jahren Phasen gegeben, in denen Hans Hass jr. lustlos und
ohne Antrieb gewesen sei, so die Wirtschaftsexpertin.
"Ich musste ihn regelmäßig mental aufbauen. Aber er hat nie Andeutungen
gemacht, dass er deprimiert ist und es ihm schlecht geht. Da rechnet man doch
nicht damit, dass er sich umbringt."
(...)
Am 20. Juni, einem verregneten Samstag sah Stefanie M. ihren Lebensgefährten zum
letzten Mal. "Ich kam spät von der Arbeit nach Hause", erinnert sich
Stefanie M. "Gegen halb elf sagte Hans, er wolle noch mal weg, Tabak kaufen.
Ich sagte, ich hätte doch noch welchen daheim. Aber er wollte unbedingt noch mal
an die frische Luft."
Stefanie M. ging zu Bett. "Als ich Sonntag früh wach wurde, war Hans
nicht da. Es kam schon mal vor, dass er nach einem lustigen Abend bei Freunden
übernachtete, deshalb machte ich mir noch keine Sorgen. Erst als ich abends von
der Arbeit kam und er immer noch nicht da war. Ich rief Hans auf dem Handy an,
doch das lag bei uns in der Wohnung. Dann fing die Sucherei an."
Sie telefonierte Freunde, Krankenhäuser, Polizei ab. Ohne Erfolg.
"Solange jemand nicht als suizidgefährdet gilt, leitet die Polizei keine
Großfahndung ein."
Nach vier Tagen habe eine Freundin zum ersten Mal gesagt: "Hoffentlich
hat sich der Hans nicht umgebracht." Stefanie M.: "Ich fühlte mich so
hilflos. Ich konnte ja nichts tun, außer darauf zu warten, dass Hans sich
meldet. Ich habe nichts mehr gegessen, war ein Nervenwrack. Irgendwann wurde ich
wütend, weil er einfach verschwunden war. Ich konnte den Anblick seiner
persönlichen Sachen in der Wohnung nicht mehr ertragen."
Am Sonntag, dem 28. Juni, ging sie in den Keller, wollte einen Umzugskarton
holen. Als Stefanie M. die Tür öffnete, "habe ich nur noch geschrieen. Der
Schrei kam tief von innen heraus. Ich rannte nach oben in die Wohnung, war wie
gelähmt. Erst dachte ich, es handele sich um eine Fata Morgana. Doch es war
Wirklichkeit."
Im Keller fand Stefanie M. die Leiche von Hans Hass jr. - er hatte sich
erhängt.
Einen Abschiedsbrief gab es nicht. "Mittlerweile habe ich akzeptiert, dass
ich nie eine Antwort auf das Warum bekommen werde", sagt Stefanie M. Wie
denkt sie heute an ihn? "Ich versuche, ihn als positiven, fröhlichen Menschen
in Erinnerung zu behalten." Wer hilft ihr? "Meine Familie und Freunde.
Außerdem arbeite ich wie eine Besessene und will jetzt meine Doktorarbeit
schreiben. Das lenkt ab." Sie lächelt: "Frau Enke hat ja zum Glück ihre
kleine Tochter und ihre Tiere. Sie werden ihr helfen."
Tanja May