Wer behauptet, Casting-Shows sind eine Erfindung der Neuzeit, der irrt sich gewaltig.

Bereits 1969, als das österreichische Fernsehen noch in seinen Kinderschuhen steckte, initiierten österreichische Radiomacher eine Art der Nachwuchsförderung, die ihresgleichen suchte.
Doch die Sänger und Gruppen sangen nicht einfach "nur". Es folgten zahlreiche Schallplatten- und Rundfunkaufnahmen, die Talente wurden förmlich rauf und runter gespielt. Auftrittsmöglichkeiten und Touren durch ganz Österreich wurden organisiert. Doch gewisse Dinge waren auch gleich wie heute. Kaum hat man die ersten "Früchte" geerntet, wurde bereits nach neuen Talenten gesucht. Wem der nötige Biss und Ehrgeiz fehlte, war dann (leider) schnell wieder weg, vom Fenster.

Evamaria Kaiser ist es zu verdanken, dass durch ihr Bestreben und ihre Initiative, viele Künstler erstmalig zeigen durften, das es sie gibt und das sie auch etwas können!

Die Show-Chance, in Österreich von 1969 bis 1977 veranstaltet, brachte unzählige Talente hervor (die man auch heute noch kennt):

Die "Show-Chance" lief zu Beginn auch in Deutschland und der Schweiz parallel.

1969 gab es die einzige "Internationale Show-Chance" mit den Talenten aus allen drei Ländern. Bei diesem Bewerb ging Österreich als Sieger hervor.

Die "Show-Chance" kann auch als Wiege des Austro-Pops bezeichnet werden.

"Wie Hörfunkdirektor Dr. Alfred Hartner anlässlich einer Pressekonferenz ausführte, sei vor allem die Präsentierung neuer Talente das Ziel des Nachwuchsstudios. Erst die Zukunft werde zeigen, ob sich diese Talente auch weiterhin durchsetzen können. Er sei jedoch zuversichtlich, da auch Udo Jürgens und Peter Alexander in ihren Anfängen vom Rundfunk betreut wurden." (aus der Oberösterreichischen Presse, 9/70)

Zwar gab es bereits vor Marianne Mendt und ihrer Glock'n Lieder im Wiener Mundart-Slang (beispielsweise von der "Worried Men Skiffle Group"), doch für Marianne bedeutete es den großen Durchbruch. Diese Art der Musik wurde von Ö3 in ihrer Anfangszeit sehr gefördert und sollte sowohl Interpreten als auch Hörer ermutigen, nicht immer nur englischsprachige Musik zu machen bzw. zu hören. Deutsche Texte und Mundart-Lieder waren allerdings nicht unbedingt der Garant für eine lang andauernde internationale Karriere ...

"In der 'Großen Glocke' hat es Bronner schon gesagt, und am Sonntag hat er's im 'Showfenster' wiederholt - und trotzdem stimmt es nicht: dass die 'Hair-Parodie' mit Marianne Mendt vor einem Jahr die Dialektwelle im Wiener Popsong eingeleitet hat. Damit das einmal klar ist: Am 29. Mai 1968, also fast zwei Jahre früher, ist 'Glaubst i bin bled?' mit den 'Worried Men' gesendet worden und dieser Song ist schon längst ein Plattenhit gewesen, als Bronner auch auf die Welle setzte. Der Showfachmann Bronner weiß das ganz genau. Warum also diese falschen Behauptungen?" (Arbeiterzeitung, 9. März 1971)

Doch viele Dinge sind auch falsch gelaufen, wenn man die ganze Sache kritisch betrachtet:
Die jungen Talente - die meisten hatten überhaupt keine Erfahrung - wurden in gewisser Weise falsch beraten.
Ziel war es einen schnellen Hit zu landen. Da es dafür - bis heute - kein Erfolgsrezept gibt, wurden einige nach zu geringen Erfolgen schnell wieder fallen gelassen. Versprochene Schallplattenverträge erwiesen sich mitunter als leere Versprechungen, gute Auftrittsmöglichkeiten waren selten und eigene Wünsche und Vorstellungen konnten nur begrenzt in Produktionen miteinfließen.
So hatte es auch oft die Folge, das "schwierige" Menschen (in erster Linie Sängerinnen und Sänger, die ein bestimmtes Lied nicht singen wollten) sofort wieder aus der Nachwuchsförderung verschwanden. Dadurch hatten die meisten Interpreten auch keine andere Wahl als zu singen, was angeboten wurde.
In der Hoffnung, dass - wenn besagte Produktion erfolgreich wird - man vielleicht danach doch etwas singen darf, was dem eigenen Geschmack oder Talent eher entspricht. Die Angst vor den Folgen eines "Nein" zu einer Produktion war allgegenwärtig. Wollten Interpreten ihren eigenen Kopf durchsetzen oder kam es etwa zu künstlerischen Differenzen, zeigte sich der Rundfunk oftmals nicht von seiner freundlichsten Seite.
"Lebenslanges Spielverbot"
hieß dann das Zauberwort - das Todesurteil in der österreichischen Musikszene ...