ANIKO BENKÖ (Hör zu, 1975)
ANIKO BENKÖ KAM, SANG UND SIEGTE
Noch nie auf einer Bühne und in acht Stunden eine Top-"Gigi"
Solche
Geschichten passieren normalerweise nur in Kitschromanen: Junge, unbekannte
Sängerin wird über Nacht als Musicalstar entdeckt.
Sie sprang innerhalb eines
Tages in Wien für die erkrankte Marianne Becker als "Gigi" ein - und erlebte
einen triumphalen Erfolg.
"Geh doch bitte du ans Telefon und sag, ich bin
nicht zu Hause!", bat Aniko Benkö am Samstag der Vorwoche ihren Bruder, als es
um halb zehn Uhr schrillte.
Bruder Tommy ging, kehrte aber sehr schnell
wieder, denn das Theater an der Wien war am Apparat. Man wollte Aniko.
"Wofür
wohl?", dachte sie sich. Und fiel, als sie es erfuhr, gleich aus allen Wolken:
Marianne Becker, die "Gigi" des gleichnamigen Musicals, war am Morgen total
verkühlt mit einem "Knödel im Hals" aufgewacht und war unfähig zu singen. Könnte
nicht vielleicht Aniko einspringen? Und zwar schon für heute Abend?
Aniko
schluckte einmal, doch dann sagte sie ja. Im Theater an der Wien war bereits
alles für die Probe versammelt. Und dann begannen für die zierliche blonde
Schlagersängerin die aufregendsten acht Stunden ihres Lebens: Denn sie musste
bis zum Vorstellungsbeginn um 19.30 Uhr "Gigi" sein,
mit allen Texten, Liedern und Tänzen.
"Konzentriert und wie ein Computer"
stürzte sie sich hinein, denn sie wusste - das war eine Riesenchance. Sie
lernte, probte, bekam dazwischen die Haare gewaschen. Kleider angezogen - und
fand auch genau sechs Minuten Zeit für ein Paar Würstel.
Dann ging der
Vorhang hoch, Aniko sagte: "Stoßt mich einfach auf die Bühne, wenn ich dran bin"
- und dann stand sie auf den Brettern, die die Welt bedeuten - und das zum
ersten Mal!
Spielte wie in Trance
Denn sie war noch
nie auf einer Theaterbühne aufgetreten. Wie in Trance spielte sie, improvisierte
bei den Tanzszenen, stuckte zwischen ihren Auftritten irgendwo in den Kulissen
ihre Rolle weiter und war froh, dass sie das Publikum im anonymen Dunkel des
Zuschauerraumes nicht sehen konnte. Denn das hätte sie nervös gemacht. Und das
war sie überhaupt nicht! "Ganz im Gegensatz zu meinen Schlagerauftritten! Da
zittere ich immer wie Espenlaub!"
Sie schaffte es - mit ihrer Blitz-"Gigi".
"Sie ist ein Naturtalent", schwärmte Ernst Kutschera, Direktor des Theaters an
der Wien, "sie ist eine neue Musicalsängerin." und schenkte ihr 15 lachsfarbene
Rosen.
Sie durfte noch zweimal "Gigi" sein - da war sie aber schon nervös,
weil die alles andere wegwischende "Premierenanspannung" nicht mehr vorhanden
war. Mitte Dezember darf sie noch zweimal in dieser Rolle auftreten.
Aniko
hat's geschafft. Ihr stiller, glühender Wunschtraum - Musicals zu singen -
scheint Wirklichkeit zu werden.
In Budapest vor 25 Jahren geboren, hatte sie
als einzige Tochter große Schwierigkeiten, bei ihren Eltern Verständnis für eine
Sängerinnenkarriere zu finden. Dabei war sie schon das erste Mal mit zehn Jahren
aufgetreten, bei einer Teenagerparty, in der von ihrem heißgeliebten Bruder
Tommy gegründeten Band, in einem rosa Tüllkleid mit rosa Samtbändern.
Erste Singleplatten
Auch während der Schulzeit sang sie
immer wieder öffentlich, bis es die Eltern verbaten, weil die schulischen
Leistungen nicht mehr so recht klappten.
Aniko lernte also zunächst brav
Industriekauffrau. Doch das Trällern ließ sie nicht. Und wurde dann doch einmal
von der Hörfunkmoderatorin und Nachwuchsspürnase Evamaria Kaiser entdeckt.
Recht schnell kamen Anikos erste Singleplatten "Das Glück mit dir", "Sag zum
Leben ja" und "Gute Reise" heraus. Sie reiste glücklich zu Schlagerfestivals in
aller Welt. 1974 sang sie Direktor Kutschera für "Gigi" vor, rechnete aber nie
mit dieser Rolle - denn "wer wird schon die Katze im Sack kaufen"? Schließlich
hatte sie ja nie richtig Schauspiel- und Tanzunterricht genommen.
Allerdings
bekam sie einen Vorvertrag für das nächste Musical "Billy", wo Aniko für drei
Frauenrollen als zweite Besetzung fungieren soll.
Doch dann wurde Marianne
Becker krank, und Kutschera kaufte doch die Katze im Sack. Und durfte wieder
eine Talententdeckung für sich buchen.
Was man ihm auch auf dem Wiener
Naschmarkt hoch anrechnet. Als der Direktor zwei Tage nach Anikos
Überraschungserfolg bei seinem Standler einkaufte, sagte ihm dieser - so ganz im
Vertrauen: "Haben S' wieder amol an Riacher ghobt, Herr Direktor, mit der Benkö!
Oba i hob ma bei dem Madl schon immer denkt, dass aus der amol wos wird."
Lore Kasbauer
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