GOLEM (1976)
UNSER DOKTOR - EIN "GOLEM"
Sein Vater ist Oberkirchenrat und seit 30 Jahren Pfarrer in der
Martin-Luther-Kirche in der Währinger Martinstraße. Er selber, der 29jährige
Doktor med. univ., der im Sommer dieses Jahres in der Martinstraße 23 seine
Praxis eröffnete, war früher ein "Golem". Er gehörte jahrelang als Sänger und
Gitarrist den "Golems" an, wollte eigentlich Berufsmusiker werden, entschloss
sich aber, Medizin zu studieren und Arzt zu werden. Weil er eben als Mediziner
mehr tun kann, mehr helfen kann ...
Er schaut aus wie ein jüngerer Roger Whittaker. Sein Händedruck ist fest und
freundlich. Und er versteht es, mit den Augen zu lächeln. Dr. Martin Wolfer,
praktischer Arzt in der Währinger Martinstraße, ist ein Typ, dem man vertraut:
nämlich einer jener hilfsbereiten, warmherzigen Menschen, die immer für andere
da sind; deren Mitgefühl und Sorge den anderen gilt; eben ein Arzt, wie er sein
wollte.
Wenig Freude an Kommerzmusik
In der Mittelschule noch, da wollte Martin Wolfer noch Berufsmusiker werden.
Er besuchte ein musisches Gymnasium und gründete damals mit einigen Mitschülern
die Gruppe "Medici". Gemeinsam mit Jugendfreund Peter Kutzer, der so wie Wolfer
später ein "Golem" werden sollte, und einigen anderen wurde Musik gemacht. Die
jungen Burschen spielten auf Bällen und verschiedenen anderen Veranstaltungen.
"Wir haben damals eben Kommerzmusik gemacht", sagt der junge Mediziner. Doch
ihm, der immer etwas hintergründiger dachte, ihm war das zuwenig.
Zwar machte es
ihm Spaß, mit Musik anderen Freude zu bereiten, doch im Grunde seines Herzens
bedeutete ihm Musik mehr. Sie war und ist Ausdruck seiner Einstellung zum Leben.
In der Kirche spielte der Pastorsohn Orgel und zu Hause gemeinsam mit Vater,
Mutter und Schwester klerikale Barockmusik. Schon in früher Jugend beherrschte
Martin Wolfer einige Instrumente, spielte Flöte, Klavier und Gitarre genauso
gern wie Orgel.
Die Kommerzmusik, das Nachspielen der Melodien und Texte anderer, das war nicht
sein Genre. Er wollte Inhaltsschwere Eigenkompositionen und Texte einem Publikum
präsentieren. Und später einmal, nach der Matura, Musik studieren und
Kompositionslehrer werden. Einer, der so wie er dachte, war sein Freund Peter
Kutzer. Und die beiden waren es auch, die mit "Flöti" Noibinger die Gruppe
"Golem" gründeten.
Menschenähnliche Riesen aus Lehm
Der Name "Golem" geht nicht auf christliche Sektierer um 900 nach Christi
zurück. Diese Sektierer, Kabbalisten genannt, formten aus Lehm riesige
menschenähnliche Gestalten, hauchten ihnen Leben ein, befahlen ihnen, gute
Taten für die Menschen zu vollbringen. Doch es gab nicht nur gute Golems. Einige
böse entwickelten ein Eigenleben und wurden wieder zu
Staub.
Und auch die von Wolfer gegründete Gruppe "Golem" nahm sich vor, Gutes zu tun.
Sie sangen - zu den drei Herren kam ein hübsch anzusehendes Mädchen hinzu, das
die stimmliche Palette nach oben hin abrundet - für die Erdbebenopfer von Peru
und im Jugendgefangenenhaus Gerasdorf. Sie singen vom Sinn des Lebens und
vertonten klerikale Texte.
Der Erfolg blieb nicht aus. Die "Golems" wurden im Jahr 1971 sogar "Show-Chance"-Sieger
- und einige Kommerzmanager versuchten die Gruppe unter Vertrag zu nehmen. Doch
Wolfer blieb sich selber treu. Er und seine Freunde widerstanden den Lockungen
der Kommerzbranche. Sie verzichteten auf eine mögliche große internationale
Karriere.
Freilich, erfolglos blieben sie deshalb nicht. Dr. Martin Wolfer erinnert sich
gern an die vielen Engagements im In- und Ausland und an einige große Tourneen,
bei denen er ein Stückchen dieser Welt kennen lernte.
Einer, der den Menschen helfen will
Doch den Traum einmal Berufsmusiker zu werden, den hatte Wolfer bald
ausgeträumt. Er zog es vor, etwas "Solides" zu studieren und entschloss sich
Mediziner zu werden. Und was zuerst für ihn wie ein Ersatz von einem Jugendtraum
war, faszinierte ihn bald. Er erkannte, dass er gerade in diesem Beruf den
Menschen helfen kann, dass er als Arzt mehr den Leuten beistehen kann.
In kürzestmöglicher Zeit beendete Martin Wolfer das Medizinstudium und sammelte
anschließend in drei Praxisjahren Erfahrung, die ein selbstständiger Arzt
braucht. Denn neben den tiefen Kontakten zu den Menschen, denen er gerne
beisteht, Schmerzen und Leid zu lindern, möchte er frei und selbstständig sein.
Und er scheut sich auch nicht, trotz seiner Jugend Verantwortung zu tragen.
Verantwortung für jene Menschen, die Hilfe brauchen. Für ihn ist jeder Patient
ein Mensch, für den er sich Zeit nimmt. Zeit, die Probleme anzuhören, Zeit,
gründlich zu untersuchen. Er ist nicht nur Krankenscheinempfänger und
Rezeptschreiber sondern einer, dem die Patienten vertrauen, dem sie anvertrauen
was sie bedrückt.
Und Dr. Martin Wolfer, der erst in diesem Sommer seine Praxis eröffnete, hat bis
jetzt bereits das Vertrauen Dutzender Menschen gewonnen.
Die Musik freilich, die lässt den jungen Mediziner nicht mehr los. Die "Golems"
gibt es zwar seit einigen Jahren nicht mehr, aber Dr. Martin Wolfers Lieder
leben weiter. Gemeinsam mit Freund Peter Kutzer macht er Musik, spielt sonntags
auf der Orgel, und abends, da summt er seinem kleinen Sohn ein hübsches
Schlummerlied.
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